Eigentlich sind wir mit der Erwartung nach Kerrville gefahren, dass die jährliche MAPA Homecoming lediglich ein spektakuläres Fly-In ist und der Besuch der Mooney-Factory ein eher trauriges Erlebnis ist, das nur von der Historie dieses Ortes verklärt wird. Aber wir haben dort gelernt, dass die amerikanischen Mooniacs eine regelrechte Convention abhalten und dass die Mooney-Factory eine durchaus sehenswerte und komplexe Fertigungsstätte ist. Aber der Reihe nach.
Es war eine richtige europäische Delegation, die diesen Herbst die MAPA-Convention besuchte und damit Aufsehen erregte. Ein Belgier, zwei Deutsche, zwei Schweizer und zwei Ungarn waren angereist, um zu erfahren, wie die amerikanischen Mooniacs ihre Homecoming zelebrieren. Der Austragungsort für die Convention war in diesem Jahr in Kerrville, der Geburtsstätte aller Mooneys. Nur alle 3 Jahre findet die Convention in Kerrville statt, die beiden anderen Jahre wechseln die Austragungsorte zwischen der West- und Ostküste der USA um den Anreiseaufwand der Mooniacs regional gleichmäßiger zu verteilen. Die Organisatoren des diesjährigen Events Lela and Trey Hughes hatten als Tagungsstätte das YO Ranch Hotel ausgesucht, ein typisch amerikanisches Hotel im Texasstyle an der Ausfallstraße nach San Antonio gelegen. Kerrville ist keine Schönheit, sondern eher ein Provinznest in der texanischen Landschaft; einige Hotels, einige Tankstellen, große Autohändler an der Hauptstraße, ein Kreuzung von Fast-Food Ketten gesäumt und irgendwo eine steinerne Kirche und ein Krankenhaus – ein typisch langweiliger Ort in the middle of nowhere. Auch war es nicht so, dass der Flugplatz in unmittelbarer Nähe des Hotels lag. Er lag halt ein paar Blocks weiter – und das sind in den USA leicht 20 bis 30 km Entfernung. Was soll’s bei den Entfernungen dort!
Wir kamen bereits einen Tag früher an, hatten unseren belgischen Fliegerfreund Carlos vorher in San Antonio abgeholt und als wir die Hotelhalle des YO Ranch Hotels betraten, kam uns schon Jerry Manthey entgegen, der mit seiner Frau Ethel per Auto (!) aus Kalifornien angereist war, weil das Wetter auf der Strecke zu schlecht war. Ja auch Texas hat Wetter! Eine riesige Kaltfront, die sich vom Golf von Mexiko bis nach Massachusetts erstreckte, verhinderte, dass Mooneys aus dem Osten der USA anreisen konnten. Eine weitere Front über den Rocky Mountains bremste den Zustrom der Westküstler. 140 Mooneys hatten sich angekündigt, aber es wurde klar, dass diesmal weniger kommen würden. Also beschäftigte man sich mit Vorbereitungen, Firmen bauten ihre Stände auf und die MAPA-Crew kümmerte sich um die Registration der eintreffenden Gäste. Am Abend waren es etwa 60 Mooney-Besatzungen, die sich zur Hospitality Party der Aussteller eingefunden hatten. Auch so etwas passiert in den USA.
Am nächsten Morgen begann die Convention bereits um 8:00 Uhr mit der Eröffnungszeremonie und der Begrüßung durch das Management der MAC. Dies war diesmal besonders spannend, weil die angekündigte Gretchen Jahn diesen Job nicht mehr wahrnehmen konnte, weil sie die Firma gerade verlassen hatte. Dennis E. Fergusson heißt nun der neue CEO, der natürlich noch etwas zurückhaltend war, weil er ja gerade erst 14 Tage im Amt war. So beschränkte er sich auf ein kurzes Statement und ließ seine Vizepräsidenten David Copeland und Al Nitchman über die Entwicklung der Company vortragen. Es nützte aber nichts: Betroffen, ja fast bissig monierten die MAPA-Mitglieder den ständigen Führungswechsel in den letzten Jahren und mahnten energisch Kontinuität an. Dabei hinterließ Dennis Fergusson eigentlich gar keinen schlechten Eindruck. Er wirkte als ein eher bodenständiger Mann, der seine Aufgabe darin sieht, die Effizienz der Produktion zu erhöhen und Mooney langfristig zu sichern. Aber so frisch wie er im Amt war, konnte er mit Worten nichts ausrichten. Deshalb war schon richtig, dass er sich eher zurückhielt.
Nach dieser Eröffnungsveranstaltung waren eine Reihe von Parallelveranstaltungen angesetzt, wo man sich über Avionic, Wartungsfragen, Medicals, Versicherungen und die Entwicklung der Marktpreise für gebrauchte Mooneys informieren konnte. Ich selbst hatte mich in die Session gesetzt, die keinen Titel, sondern nur einen Namen trug: „Bill Wheat“. Dieser Mann ist unter Mooniacs offenbar zu Lebzeiten schon eine Legende. Ein zierlicher alter Herr im Cowboy-Look, der mit Witz und fistelnder Stimme offenbar jede Frage zu Mooneys zu beantworten weiß. Wer wissen will, wie die Teilenummer von einem Bolzen für seine 1983 Mooney lautet und ob und wann der Lieferant gewechselt hat bekommt ebenso eine schnelle Antwort wie der Frager zur Instandsetzung des Instrumentenclusters einer pre-201. Dieser alte Mann kennt offensichtlich buchstäbliche jede Schraube jeder Mooney – unglaublich! Aber so ging es weiter! Es war eben eine Convention, wo nicht Festreden oder Geselligkeit im Vordergrund stand, sondern wo man Erfahrungen austauschen, Neuigkeiten erfahren und Lösungen für konkrete Probleme finden konnte. Eine Jahreskonferenz für Mooniacs eben. Auch kam die Geselligkeit nicht zu kurz. Abgesehen davon, dass Amerikaner ohnehin kontaktfreudig sind, hatten die Organisatoren mehrere Events eingestreut, wo man einfach nur zusammenkam um über Mooneys zu plaudern. Was sonst?
Eine dieser Veranstaltungen war die Ice-Cream Party am Pool, zu der Egon Steiner aus der Schweiz eingeladen war, über seinen Atlantikflug mit seiner 252 zu berichten. Egon war mit seiner Mooney im August von Grenchen nach San Antonio geflogen, um sich dort von Lone Star Aero Monroe-Tanks einbauen zu lassen. Nun war er mit seinem Fliegerfreund Oswald Fluri zur MAPA-Convention gekommen um seine Mooney im nahen San Antonio abzuholen und danach über die Azoren zurück in die Schweiz zu fliegen. So berichtete Egon den aufmerksam zuhörenden Amerikanern, welche Sicherheitsausrüstung er gewählt hatte, welche Route er geflogen ist und mit welchen Widrigkeiten man auf einer solchen Reise zu rechnen hat. Da staunte manch amerikanischer Mooniac, dass ein Europäer ihnen erzählt, wie das geht.
Freitagnachmittag ging es dann bei strahlendem Sonnenschein in Bussen zur Mooney-Factory, um in kleinen Gruppen die laufende Fertigung zu besichtigen. Auch dieses Event war eine Überraschung: Denn in Berichten über die Mooney Factory wird oft kolportiert, das sei eine Bruchbude, wo in alten, dunklen Hallen an Mooneys gewerkelt würde. Sicherlich hält die Factory in Kerrville nicht einem Vergleich mit modernen Flugzeugwerken wie Airbus in Finkenwerder oder gar Fertigungsstätten der Automobilindustrie stand. Dafür ist die General Aviation viel zu schwach entwickelt. Aber mit 440 Mitarbeitern und bisher 85 gefertigten Mooney im Jahr 2006 ist das Stammwerk in Kerrville kein Kleinbetrieb mehr. Auch die Hallen und Anlagen sind durchaus ansehnlich und machen den bestätigen den Eindruck eines mittelständischen Betriebes, der viele Gewerke umfasst und durchaus komplexe Prozesse handhabt. Natürlich besteht auch ein erheblicher Modernisierungsbedarf: Die Fertigungstiefe ist für heutige Verhältnisse zu hoch, der Materialfluss inkonsistent, viele Prozesse werden umständlich mit alten Vorrichtungen und Maschinen abgewickelt, der handwerkliche Anteil ist sicher viel zu hoch und die Emissionen der Lackiererei würden – zu Recht - hierzulande gleich die Gewerbeaufsicht auf den Plan rufen. Aber man sieht auch, dass an vielen Stellen an der Verbesserung gearbeitet wird. CNC-gesteuerte Maschinen wurden angeschafft, ein „lean-manufacturing“-Programm ist aufgelegt, die Fertigung von Teilen der Innenausstattung wurde ausgelagert und mit Programmsteuerung und „Lean-Manufacturing“ haben moderne Managementverfahren Einzug gehalten. Insbesondere Dennis Fergusson scheint jemand zu sein, der in der Weiterentwicklung und Integration der Fertigungsprozesse seinen Schwerpunkt sieht und dafür auch Kenntnisse und Erfahrungen mitbringt. Nur die Zufahrt zum Werk sollte baldmöglichst aufgewertet werden. Es ist derzeit nur ein schmuckloser Feldweg, der von der Hauptstraße unbeschriftet abgeht und holprig zum Werkseingang führt.
So sehr sich das Management von Mooney auch bemüht und flexibel zeigte, uns jeden Winkel der Produktion zu zeigen und bei laufender Produktion Gruppen von Besuchern durch die Werkshallen zu führen, so unflexibel war man, wenn man auf die Modellpolitik zu sprechen kam. Zwar war die Acclaim zu sehen, die schon eifrig in Reihe mit den Ovation vorproduziert wurde und man war stolz über die realisierten Auftrageingänge. Aber wenn man auf Einsteigermodelle oder gar eine Neuauflage der M20 MSE zu sprechen kam, war Zurückhaltung angesagt. Auch wurde bestätigt, dass nicht mangelnde Kapazität dafür ausschlaggebend ist, sondern man den Markt der $500.000 Klasse für attraktiver hält. Allerdings bietet Mooney für die J und K Modelle neuerdings Retrofit-Programme an, mit denen man seine Mooney innen auf neuen Standard aufrüsten kann. Die Beispiele, die wir dort gesehen haben waren wirklich beeindruckend schön gemacht und Mooney hat angekündigt auch Retrofit-Kits für die älteren Modelle zu entwickeln.
Am Samstag stand der Beauty Contest der angereisten Mooneys, eine Session der MAPA Safety Foundation sowie das Abschlußbanquet auf dem Programm. Zu diesem Banquet hatten sich alle Teilnehmer in Schale geworfen und es gab gutes Essen mit herrlichen texanischen Rinderfilets und einen fesselnden Gastvortrag von Brian Shul über sein Fliegerleben. Brian Shul erzählte uns, wie er als junger Mann zur Airforce stieß, in Vietnam eingesetzt wurde und dort an der Grenze zu Kambodscha bei einem Einsatz abgeschossen wurde. Eindringlich schilderte er dann, wie er das brennende Flugzeug notlandete und später mit schwersten Verbrennungen von einem Spezialkommando geborgen wurde. Von den Ärzten fast aufgegeben, schaffte er es nach einem Jahr Krankenhausaufenthalt und unzähligen Operationen wieder zurück in den Pilotensitz und später sogar den Aufstieg in den erlesenen Kreis der Piloten, die die Lockheed SR-71 „Blackbird“ fliegen durften.
Mit atemberaubenden Bildern und Filmausschnitten präsentierte er – immer noch stolz – diesen Wundervogel um mit Blick auf Egon Steiner triumphierend festzustellen, dass eine SR-71 für eine Atlantiküberquerung nun 1:45 h benötigt. Da war die amerikanische Überlegenheit wiederhergestellt und man beschloss den Abend mit Gesprächen über Mooneys und das Fliegen im Allgemeinen.
Am nächsten Tag war Abreise angesagt. Jerry Manthey stand zwar wieder um 7:45 auf der Matte, um ein Maintenance Seminar über M20K-S abzuhalten und es gab noch weitere Gremiensitzungen, aber die Mehrzahl der Teilnehmer reiste an diesem Tag per Mooney wieder ab. Auch wir fuhren nach dem Frühstück wieder nach San Antonio, um von dort unseren Heimflug anzutreten.
Was bleibt nach einer solchen Reise? Zunächst die immer wieder bestätigte Erkenntnis, dass authentisches Erleben durch keinen Bericht und keinen Film ersetzt werden kann. Dann, dass die amerikanischen Mooniacs ihre Fliegerei mit einer Ernsthaftigkeit betreiben, wie wir es so nicht erwartet hatten. Nicht die deutsche Ernsthaftigkeit, die Spaß ausschließt, sondern die Ernsthaftigkeit, die aus Professionalität betrieben wird. Man kam, um dabei zu sein und Freunde zu treffen, aber auch um zu lernen und um Positionen zu vertreten. Dieses Verständnis wurde insbesondere in der abschließenden Session der MAPA Safety Foundation deutlich, wo Bruce Jaeger und seine Mitstreiter erläuterten, wie die Proficiency Programms der Safety Foundation aufgebaut sind und was die Ziele und Hintergründe dieser Veranstaltungen sind. Ausgehend von der Einsicht, dass Mooneys Hochleistungsflugzeuge sind und deshalb leistungsfähige Piloten erfordern, wurde die MAPA Safety Foundation in den achtziger Jahren gegründet und bietet seitdem 4-5 Wochenendseminare pro Jahr in verschiedenen Landesteilen der USA für Mooniacs an, die strukturierten theoretischen Unterricht und 4 Flugstunden pro Teilnehmer umfassen, in denen erfahrene Fluglehrer solides Proficiency Training durchführen. Die Kompetenz und Erfahrung dieser Truppe war dabei förmlich mit den Händen greifbar. Jedes Beispiel und jedes Statement war von einer Prägnanz, dass unmittelbar evident wurde, dass diese Herren ihr Metier verstehen. Nicht zu vergleichen mit unseren Fluglehrerfortbildungen, wo eitle Flugsicherungsinspektoren über Fälle schwadronieren, um sich selbst wichtig zu machen, aber erkennbar wenig davon verstanden haben. Überhaupt wird einem auf solchen Veranstaltungen gewahr, dass in den USA eine unendlich größere Erfahrung und Kompetenz mit Mooneys vorhanden ist. Das haben wir im September beim Maintenance Seminar von Jerry Manthey erfahren; Egon Steiner hat dort den Unterschied zwischen einer europäischen Flugwerft und einem amerikanischen Mooney Service Center mit seiner M20K 252 erfahren und wir haben in Kerrville Fluglehrer erlebt, die überzeugend vermitteln konnten, was Proficiency auf einer Mooney meint. Wer kennt hierzulande schon einen Fluglehrer, der selber mehrere tausend Stunden Erfahrung auf Mooneys gesammelt hat und auf Schlag die wesentlichen fliegerischen Unterschiede einer M20 J, K und S benennen kann? Solche Fluglehrer gibt es aber in der MAPA! Es muss ja nicht gleich Ed sein, den wir dort kennengelernt haben und der mit seiner eigenen BRAVO siebzigjährig in den USA umherfliegt, um Checkflüge abzunehmen oder Neu-Mooniacs einzuweisen. Dafür fliegt er mit seiner Mooney allein 400h pro Jahr. „Ja das ist mittlerweile wenig geworden!“ findet der Siebzigjährige selber. Er weiß wovon er redet. Denn er hat insgesamt etwa 24.000 Flugstunden auf zivilen Flugzeugen und davor etwa 40.000 Stunden bei der Airforce, alles überwiegend als Instructor und Checker!! Tja, das beeindruckt schon. Nicht der schieren Zahlen wegen, sondern der Kompetenz wegen, die dieser Mann mit jedem seiner Sätze versprühte!
Wir haben daraus die Einsicht mitgenommen, dass wir in Europa auch so etwas brauchen. Deshalb wollen wir den Dialog mit Bruce Jaeger und Ed Morris vertiefen und versuchen, im nächsten Jahr mit Hilfe der MAPA Foundation ein solches Seminar auch in Europa zu organisieren. Vielleicht gelingt das uns ja. Auch haben wir versucht, Al Nitchman von der Notwendigkeit zu überzeugen, in Europa mehr Mooney Service Center aufzubauen bzw. gute Werften in die Position zu bringen, einen solchen Titel zu führen. Natürlich muss man dabei im Auge haben, dass die europäischen Verhältnisse und die und die amerikanischen Verhältnisse unterschiedlich sind. Aber wir haben bei dieser Reise auch gelernt, dass sich unsere Community nicht verstecken muss. Insofern war das die Reise wert.
Bernd Hamacher (12. Dezember 2006)
www.mooney.de